Eine Nacht unter den Sternen

Nach fast zwei Jahren ist es wieder Zeit meine Erfahrungen mit Euch zu teilen. Inzwischen habe ich viel über das Wetter, die Ausrüstung und das Fotografieren dazugelernt. Es gab viele Touren, auf denen ich wunderbare Bilder machen konnte und fantastische Augenblicke erleben durfte.

Viele könnten meinen, dass die besten Erinnerungen die Bilder seien, dies stimmt aber nur zu einem kleinen Teil. Die Geschichte hinter jedem Bild ist für mich viel bedeutender und lässt mich immer wieder an den Ort der Entstehung zurückkehren.

In diesem Jahr wurden meine Pläne etwas durchkreuzt. Wir wissen alle warum. Anstehen bei Migros und Coop. So viel Händewaschen, das einem bald Schwimmhäute wachsen. Im Radio wird nur von ein und demselben Thema gesprochen und die Bekannten und Freunde hört man oft nur über das Telefon oder Videochat. Genau, Covid-19. Der Feind jeglicher sozialer Kontakte und Wirtschaftserfolge.

Nicht nur bei der Arbeit gab es neue Wege die wir einschlagen mussten, sondern auch bei meinem geliebten Hobby. Mir fehlte einfach die Lust in die Berge zu gehen oder Bilder von vergangenen Touren zu bearbeiten. Unter anderem gab es auch Richtlinien, die es einem kaum möglich gemacht haben, mit anderen Leuten auf eine Tour zu gehen. Halte Abstand hier, halte Abstand da, benutze kein ÖV (was ich so oder so nicht gerne mache) und so weiter.

Nach langer Zeit war es wieder so weit. Eine Möglichkeit, mein Zelt zu packen und für eine Nacht in die Berge zu gehen. Vom Freitag, 22. Mai 2020 auf den Samstag, 23. Mai 2020 war Neumondnacht. Die einen Fragen sich jetzt, was an der Neumondnacht denn so spektakulär ist oder was das überhaupt ist?

Wenn der Mond "leer" ist, also in der Nacht nicht durch die Sonne beleuchtet wird, spricht man von einem Neumond. Dies ist ein Zyklus der sich durch das ganze Jahr immer wieder wiederholt. Das Gegenteil davon ist der Vollmond. Idealerweise befindet sich der Neumond in der Nacht dann auch noch unterhalb des Horizonts. Ist dies der Fall, wird an dunklen Orten die Milchstrasse nicht durch das reflektierende Licht des Mondes gestört. Perfekte Bedingungen, um unsere Galaxie mit der Kamera aufzunehmen.

Wir befanden uns an diesem Wochenende in Arosa GR. Ich kenne diesen Ort eigentlich nur durch das Skifahren im Winter und hatte daher keinerlei Informationen über geeignete Spots für meine Bild-Idee. Zu meinem Hobby gehört nicht nur fotografisches Können, sondern viel mehr auch die Möglichkeit, Touren zu planen ohne das man jemals dort war. Es muss einfach alles stimmen: das Wetter, keine Wolken in der Nacht, die Temperatur wenn möglich unter 10 Grad, kein Regen (vorhergesagt), geschweige denn Gewitterzellen und es muss eine Möglichkeit geben, ein Zelt aufzustellen.

Der Plan war es, einen Tag vor der Neumondnacht meine Tour zu unternehmen. Ich entschloss mich für die Nacht von Donnerstag auf Freitag oberhalb des Schwellisees mein Lager aufzuschlagen und mein Glück zu versuchen. Zugleich wollte ich meiner Verlobten die Möglichkeit bieten, auf dieser Tour dabei zu sein und die Nacht unter Sternen hautnah zu erleben. Bisher war sie noch auf keiner meiner Touren dabei. Irgendwie ist es auch verständlich, denn in der Zeit, in der ich den Berg auf und ab renne, um meine Kompositionen/Spots zu finden, kann sie nur warten oder ein Buch lesen. In der Nacht wird es aber mit dem Lesen noch etwas schwieriger, da es ja bekanntlich dunkel ist :) und für mich das Licht einer Taschenlampe beim Fotografieren eher störend sein kann.

Natürlich musste sie auch einen grossen Rucksack mitnehmen, zwar war dieser nicht so schwer wie meiner, aber trotzdem nicht leicht. Rund 15 kg wog ihr Rucksack mit Schlafsack, Matte, Zelt, Kleider, Essen und Wasser. Zuzüglich dieser 15kg kamen bei mir noch ca. 6kg mit der Fotoausrüstung dazu.

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In Arosa angekommen, haben wir uns für eine Wanderung am selben Tag unserer geplanten Tour entschieden. Wir entschlossen uns, an den Ort zu wandern, an dem wir auch die Nacht verbringen wollten. Für mich ist dies eher untypisch, da ich meist die Umgebung nicht sehe bevor ich auf meine Tour gehe. So konnte ich bereits am Tag meine Spots erkunden und auch gleich mit Hilfe von Apps die Ausrichtung der Milchstrasse prüfen. So wusste ich bereits zu Beginn wann und wo sich die Milchstrasse befinden wird. (Gleichzeitig konnte ich auch sehen, wie genau meine Planung war. )
Es war schnell klar, an welchen Orten ich in der Nacht sein möchte. Wir sind genau die Wege abgegangen, wo wir später entlang gehen wollten. Somit waren wir uns sicher, dass wir nichts übersehen in der Dunkelheit.

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Gegen 18.00 Uhr hatten wir unsere Sachen fertig verstaut und waren bereit für unser kleines Abenteuer (den Aufstieg). Nach einem kurzen Aufstieg waren wir an unserem Zeltplatz angekommen und haben uns einen kurzen Überblick verschafft. Ich schoss noch ein paar Bilder während der «goldenen Stunde» bevor die Sonne dann endgültig untergegangen ist.  

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Das Zelt haben wir kurz nach Sonnenuntergang aufgestellt und positioniert. Bei Tageslicht ist dies immer etwas einfacher als in der Nacht mit Stirnlampe. Daraufhin genossen wir unser Abendessen. Für Manuela war dies noch neu. Ich zauberte uns ein 1-Gang-Menu aus dem Beutel. Wie immer war dies ein schmackhaftes Nachtessen auf 2000 m.ü.M. Auch sie fand es köstlich.

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Leider war der Sonnenuntergang nicht gerade ergiebig. Meine Bild-Idee ging somit nicht auf und wir konnten die Zeit noch etwas geniessen bevor wir uns zum Zelt begaben.
Um ca. 21.30 Uhr konnten wir uns dann ins Zelt zurückziehen und unsere Schlafsäcke auspacken. Der Wecker wurde auf 01.00 Uhr für einen ersten Blick nach draussen gestellt.

01.00 Uhr - Auf die Minute genau klingelte mein Wecker. Die Vorfreude war gross und die Hoffnung klein. Die Vorhersage gab an, dass es in der Nacht noch einzelne Wolkengruppen geben könnte. Ich öffnete langsam das Zelt, um meinen Kopf hinauszustrecken und dann...

...war sie da. Die Milchstrasse in ihrer vollen Pracht. Weit und breit keine Wolke zu sehen. Der Wind war lau und die Luft fühlte sich nicht extrem kalt an. Über uns konnte man mit blossem Auge unsere Galaxie erkennen. Durch das Licht von Arosa strahlten die Schneefelder etwas Licht ab und so konnten wir auch das ganze Bergpanorama bei Nacht sehen.

Nun musste es schnell gehen. Schlafsack auf, warme Kleider an, schnell noch die Wanderschuhe anziehen und raus in die Dunkelheit. Jetzt waren wir da. Unter den Sternen und alleine auf dem Berg. Während dem sich Manuela noch angezogen hatte, schoss ich das erste Testbild, um zu sehen, wie die folgenden Bilder aussehen werden. Es war perfekt.

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Wie es der Zufall wollte, war die Milchstrasse noch nicht ganz aufgegangen. Sie lag noch zu stark am Horizont. Für mein Zielbild schlecht, dafür aber perfekt für einen Milchstrassenbogen über dem Zelt.

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Wir hatten "nur" zwei Stunden Zeit um alle Spots in der Nacht abzuklappern, da gegen 03.00 Uhr bereits die Dämmerung begann. Alles wieder eingepackt und los ging es zum ersten Spot. Alles was jetzt kommt wäre nur hochgestochenes Fotografen-Gelaber, daher erspare ich euch diesen Teil und lasse die Bilder sprechen.  

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(Beim letzten Bild bin ich mir nicht so ganz einig. Was meinst du? Schreib mir doch deine Meinung ;)

Ich hätte noch stundenlang dort sitzen und der Galaxie zuschauen können, wie sie langsam verschwindet, doch es ist auch schön in den Schlafsack zurückzukehren und noch etwas zu schlafen. Dies haben wir dann auch gegen 03.00 Uhr getan. Der Wecker wurde auf 05.15 Uhr gestellt, denn den Sonnenaufgang wollte ich ebenfalls noch erleben.

Um genau 05.15 Uhr weckte mich auch dieses Mal mein «geliebter» Wecker. Doch dieses Mal war es etwas anstrengender und mit mehr Überwindung verbunden aus dem Zelt zu schauen. Ich habe kurz die Lage überprüft und mich dann (widerwillig) dazu entschlossen, alles nochmals anzuziehen, um das Zelt zu verlassen. Manuela entschied sich für die etwas gemütlichere Variante und blieb mit geöffnetem Zelt im Schlafsack liegen.

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Dies war verständlich. Wenn ich nicht zum Fotografieren dort gewesen wäre, hätte ich mir auch den Platz im Zelt gegönnt.
Ich verabschiedete mich und gab mehr oder weniger an, in welche Richtung ich gehen werde. Ich ging weiter nach oben und versuchte krampfhaft einen geeigneten Punkt zu finden, der meinen Ansprüchen genügen könnte. Ich wollte unbedingt einen Sonnenstern mit gutem Vordergrund ablichten. (Wenn du wissen willst, was ein Sonnenstern ist, dann schaue dir meine Bilder auf der Homepage an. Wenn du ihn gefunden hast wirst du wissen was es ist)
Naja, perfekt war es nicht. Ich war so fixiert auf meine Idee, dass ich ganz vergessen habe, wo die Musik wirklich spielt.

Aus noch unerklärlichen Gründen habe ich mich dann doch noch umgedreht und schaute an die Berge hinter mir. Wie vom Blitz getroffen, packte ich das Stativ und rannte wieder Richtung Zelt. Ich wusste, dass ich mich weiter in Richtung See bewegen musste, um das perfekte Motiv zu finden. Etwa auf Höhe des Zeltes habe ich nur noch "jetzt muesch ufstah, es brännt wie Sau" gerufen. Ich rannte weiter Hang abwärts und stand dann da. Die aufgehende Sonne im Rücken und die rot leuchtenden Berge vor mir.

Das Stativ war positioniert und der Pol-Filter so eingestellt, dass der See die Berge schön spiegelt. Noch kurz ein GND-Filter 1.8 eingesteckt und alles war bereit für den richtigen Moment.
Dies sollte jeder einmal erlebt haben. Auf einem Berg, kurz vor Sonnenaufgang ist es ganz Still. Nur die Vögel zwitschern und die (wilden) Tiere erwachen langsam aus ihrem Schlaf.

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Nun war auch Manuela bei mir und wir liessen uns von der Sonne langsam aufwärmen. Für mich war dies der Zeitpunkt, um das Fotografieren zu beenden und die Natur auf mich wirken zu lassen und einfach zu geniessen. Etwas oberhalb unseres Zelts konnten wir dann noch zwei Rehe beobachten, die sich die Beine vertreten mussten. Danach gingen wir zurück zum Zelt und packten alles wieder zusammen. Natürlich auch unseren Müll. Dies haben einige Menschen noch nicht ganz verstanden. Alles was auf den Berg kommt, verlässt den Berg auch wieder. Sollte nicht so schwer sein!

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Um ca. 06.15 haben wir uns noch ein warmes Vanillemüsli mit Blaubeeren gegönnt. Auch wenn es so schön war, war es auch wieder Zeit den Heimweg anzugehen. Auf dem Rückweg konnten wir noch einen wilden Hasen sehen, der vor uns auf dem Weg entlang hoppelte. Ebenfalls grüsste uns noch ein Murmeltier.

Gesund aber erschöpft kamen wir wieder in der Ferienwohnung an, in welcher wir noch einige freie Tage verbrachten und trockneten unsere Ausrüstung in der Sonne. Zum Abschluss schliefen wir noch etwas auf der Terrasse bei ca. 7 Grad Aussentemperatur. Es war tatsächlich sehr gemütlich. J

Für mich war es die erste Tour in diesem Jahr und die Erste mit meiner Verlobten. Es sind sehr schöne Erinnerungen, die wir mitgenommen haben. Für mich war es auch schön zusehen, wie Manuela ohne Widerworte alles mit gemacht hat. Dies ist nicht selbstverständlich. Ich kann es mir nicht vorstellen, wie es ist, als Nicht-Fotograf auf so einer Tour dabei zu sein.



Hier noch einige Infos:

Temperatur Tag: 17 Grad (gefühlt ca. 20 Grad)
Temperatur Nacht: 5 Grad (gefühlt ca. 8 Grad)
Höhe: 2020 m.ü.M

Vielleicht möchte dies Jemand auch selber einmal erleben. Dazu noch die Daten unserer Schlafsäcke:

Manuela: Deuter Astro Pro 600, Komfort -5 Grad, Daunen, ca. 1250g
Meiner: Western Mountaineering Ultra Light, Komfort -7 Grad, Daunen, ca. 730g


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